LG Stuttgart: Reifenschaden durch Fremdkörper auf Start- und Landebahn als außergewöhnlicher Umstand

von Kai-Julian Folkerts

Für die Auslegung des Begriffs des außergewöhnlichen Umstands gemäß Artikel 5 Absatz 3 der Fluggastrechteverordnung 261/2004 sind verschiedene Kriterien heranzuziehen. Alleine die fehlende Beherrschbarkeit eines Umstandes für eine Fluggesellschaft spricht nicht gegen dessen Einordnung als außergewöhnlich i.S.d. Artikel 5 Abs. Absatz 3 der Verordnung.

Das Tatbestandsmerkmal "außergewöhnlicher Umstand" ist eng auszulegen, d.h. so, dass das vom Unionsgesetzgeber gewollte Schutzniveau für die Fluggäste gewahrt bleibt. Im Rahmen dieser engen Auslegung kommt es im Ausgangspunkt darauf an, ob der die Verzögerung verursachende Umstand untrennbar mit dem System zum Betrieb eines Flugzeugs verbunden ist oder seiner Natur oder Ursache nach nicht Teil der normalen Ausübung der Tätigkeit des betroffenen Luftfahrtunternehmens und von ihm nicht tatsächlich beherrschbar ist. Entsprechend sind von außen einwirkende Umstände, wie ein Sabotageakt oder eine terroristische Handlung, Naturereignisse wie ein Vulkanausbruch, oder eine behördliche Anordnung, die Auswirkungen auf den Flugbetrieb hat, außergewöhnlichen Ereignisse. Alleine die fehlende Beherrschbarkeit eines Umstandes für eine Fluggesellschaft spricht nicht gegen dessen Einordnung als außergewöhnlich.

Nach Ansicht des Gerichts liegt im Fall der Beschädigung eines Flugzeugreifens durch einen Fremdkörper auf Start- oder Landebahn vielmehr (noch) eine untrennbare Verbundenheit mit dem System zum Betrieb des Flugzeugs vor. Denn naturgemäß müssen Flugzeuge Start- und Landebahnen nutzen, Luftfahrtunternehmen sind deshalb in vergleichbarer Weise regelmäßig mit Situationen konfrontiert, die sich aus der Benutzung der Fahrbahnen ergeben. Dass sich aber auf diesen Fremdkörper befinden, ist unbestritten häufig, weshalb Flughafenbetreiber die Bahnen regelmäßig reinigen. Die Verschmutzung der Fahrbahnen ist damit ein Umstand, den Luftfahrtunternehmen bei deren - notwendigen - Benutzung üblicherweise hinnehmen müssen. Das Vorhandensein von Fremdkörpern auf Start- und Landebahnen ist folglich - vergleichbar der Benutzung von Treppenfahrzeugen oder Gepäckwägen -untrennbar mit dem System zum Betrieb eines Flugzeuges verbunden.

Urteil des LG Stuttgart vom 07.12.2017, Az.: 5 S 103/17

Rechtsanwalt Kai-Julian Folkerts steht Ihnen für eine weitergehende Beratung und Durchsetzung Ihrer reiserechtlichen Ansprüche gerne zur Verfügung.

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